Wir sind aufgrund der Vorherage schwacher Winde noch zwei weitere Tage auf Jersey geblieben. Ganz besonders genossen wir dabei vom Cockpit aus die geheimnisumwobenen Vollmondnächte vor felsiger Steilküste und sternenklarem Nachthimmel.
Zudem lag direkt vor unserer Ankerbucht eine schon von Neandertalern bewohnte große Höhle, von denen uns heute noch Zahn- und Knochenfunde erzählen.
Aber auch die wunderschöne Felslandschaft vor türkisfarbenen Meer mit wechselnden Eindrücken aufgrund der Gezeitenwurde wollte uns nicht langweilig werden. So trennten wir uns nur schwer von den Kanalinseln, denn etwas Schöneres als dieses Paradies ist einfach nicht vorstellbar.
Und so waren wir umso überraschter, als wir bereits 30 Meilen später vor der Bretonischen Küste wieder ins Staunen kommen durften.
Vor uns tauchten zunächst immer wieder einzelne hohe und extrem spitzzulaufende Felsen aus dem Wasser auf. Dies ließen einen geradezu erschaudern, besonders bei dem Gedanken, dass Seeleute in früheren Zeiten ohne GPS und ausgefeilten Seekarten bei Nacht oder Sturm auch hier langgefahren sein mussten. Der Wind wehte den ganzen Tag schon ziemlich kräftig und blies uns daher vom Meer mit viel Schwung durch die Engen und mit den uns überall umgebenen Felsauswürfen in den Fluss Jaudy hinein, der uns zu dem Ort Tréguier bringen sollte.
Der Fluss zeigte sich nun gezähmt, die Gezeiten ließen an beiden Uferseiten von Menschenhand bewirtschaftete Austernbänke vor uns auftauchen. Die dort fleißig arbeitenden Menschen standen kniehoch im Wasser und erinnerten mit ihren runden Rücken, Hüten und Gummistiefel an Bilder von Chinesen in ihren Reisfeldern. Weiter den Fluss aufwärts fahrend, verwandelte sich die Flusslandschaft abermals und erinnerte nun an die Küstenlandschaft Norwegens oder Schwedens mit ihren dicht bewaldeten Felshängen. Kurz vor der Stadt Tréguier entdeckten wir dann einen ruhig gelegenen Ankerplatz und fuhren von dort nach kleiner Kaffeepause mit dem Beiboot in die Stadt hinein.
Dort herrschte reges Treiben mit Flohmarktständen und dem Aufbau von Musikbühnen überall im Ort verteilt. Erst später fiel uns ein, dass heute ja der 14. Juli, also der Nationalfeiertag der Franzosen, gefeiert wurde.
Aber die Stadt selbst war schon eine einzige Pracht. Überall wunderhübsche Häuser aus Felssteinen und diese wurden vereinzelnd noch getoppt durch filigran gearbeitete Fachwerkbauten aus dem 15./16. Jahrhundert. Den eigentlichen Höhepunkt bildete dann die auf dem höchsten Punkt der Stadt erbaute Kathedrale Saint-Tugdual, die als eine der schönsten der Bretagne gilt und die die einstige religiöse Bedeutung Tréguiers verdeutlicht. Da wir diesen Ort rein aus navigatorischen Gründen gewählt hatten, konnten wir unser Glück kaum fassen, so eine schöne Stadt vorzufinden. Wir schlenderten entzückt durch die Gassen und nahmen uns auch viel Zeit für die Besichtigung der Kathedrale, die auch im Innern durch ihre hohen gotischen Säulen, ihr imposantes Gewölbe sowie durch ihre weiteren Kunstfertigkeiten einen tiefen Eindruck auf uns machte.
Später am Abend bekamen wir durch die auftretenden Bands einen Eindruck von der bretonischen Sprache. Sie klingt wie eine mittelalterliche Mischung aus Niederländisch und Französisch. Dazu wurden entsprechende Tänze von den Einwohnern getanzt. Das Ganze schuf ein schönes Gemeinschaftsgefühl, nur wir und wohl auch andere Touristen fühlten sich etwas fremd darin.
Am nächsten Morgen gab es noch ein geruhsames Frühstück vor wunderschöner Landschaftskulisse und dann ging es wieder weiter Richtung Roscoff (auch wenn dieser Name wenig französisch anmutend), unserem nächsten Reiseziel. Den Flusslauf hinunter zum Meer motorend zeigte sich nun eine komplett verwandelte Küstenlinie. Mit dem Hochwasser waren die Austernbänke verschwunden und der Fluss glich nun eher einer Seenlandschaft mit kleinen Felseninseln darin. Immer wieder erstaunlich wie die Gezeiten den Landschaftscharakter komplett verwandeln.
Mit nur wenig Wind von hinten ging es auch mit Schmetterling eher mäßig voran und so waren wir froh, dass unser nächstes Etappenziel nicht zu weit gesteckt war. Im Hafen nahmen uns alte Bekannte aus vorherigen Häfen die Leine entgegen. Das ist schon ein tröstliches Gefühl in all der Fremde hin und wieder auch vertrauten Gesichtern begegnen zu können. Manche haben bereits Segler-Gemeinschaften gebildet und segeln nun in kleinen Flottenverbänden zusammen. Das wäre uns persönlich jedoch zu einschränkend für die Wahl und Dauer einzelner Reisziele.
Auch Roscoff ist eine malerische Stadt, fast vollständig erbaut aus Felssteinen der Bretagne. Im Vergleich zu Tréguier jedoch so sehr dem Tourismus unterworfen, sodass man vor lauter Restaurants und Souvenirläden kaum noch den wahren Kern der Stadt erfahren kann.
Eine Musikband am Hafen (Rock n‘ Roll mit Kontrabass,…) konnte uns jedoch in ihren Bann ziehen und gemeinsam mit einigen Franzosen haben wir uns der Musik auch tänzerisch so richtig hingegeben. Nach all dem Segeln ein paar gymnastische Übungen für die Beinmuskulatur …
Am späteren Abend kamen wir dann noch mit unseren Bootsnachbarn in einen Plausch. Sie sind gerade mit ihrer Selbstbauyacht auf dem Weg zurück in ihre Heimat- nach zwölf Jahren Mittelmeer und Karibik… Sie haben uns mit ihren Erfahrungen richtig Lust auf das Segeln in die Karibik gemacht.
Den guten Wind nutzend, sind wir inzwischen in Camaret sur Mer angekommen. Hier liegen wir in einer geschützten Ankerbucht vor malerischer Kulisse und bereiten uns so langsam auf die große Fahrt über die Biskaya vor. Vor dem großen Segelereignis werden wir gleich noch einmal nach Brest aufbrechen, um unseren neuen Anker und ein Packet aus Deutschland mit Ersatzteilen abzuholen. Den gestrigen Abend haben wir sehr nett mit einem ehemaligen Arbeitskollegen Jochens und seiner Familie verbracht. Sie wollen für zwei Jahre auf Langfahrt gehen und dabei vor allem die Karibik besegeln. Mittlerweile haben wir schon eine ganze Menge Leute getroffen, die entweder gerade wie wir aufgebrochen sind oder bereits heimkehrend von ihren Segelerlebnissen berichten können. Das ist immer sehr spannend und wir bekommen so manch guten Tipp mit auf den Weg.
Nun hoffen wir auf ein geeignetes Wetterfenster um die dreitägige Reise über die Biskaya meistern zu können.
Liebe Anja, lieber Jochen,
wir erfreuen uns immer wieder an der sehr lebhaften Erzählung Eurer Reise. Wir können das richtig miterleben.
Anja, Du machst das sehr gut. Auch die Bilder sind sehr eindrucksvoll und gefallen uns sehr.
Liebe Grüße, weiterhin eine gute Reise,
Bettina u. Hans
Liebe Bettina, lieber Hans!
Vielen Dank für euer posives Feedback. Das freut uns sehr, dass ihr so interessiert die Beiträge verfolgt. Hoffe, euch geht es gut. Liebe Grüße Anja und Jochen
Liebe Anja, lieber Jochen,
ich hoffe, es geht euch gut nach der Ankunft in Spanien? Die Fotos sprechen eher dafür!
Ich war viel unterwegs während meines Urlaubs – erst Ferienpass, dann in Kassel auf der Dokumenta und nun für
3 Tage in Basel auf großer Barock- und Museumstour durch die Stadt. Heute habe ich den letzten Urlaubstag, die
hochsommerliche Zeit hier nach Basel noch genossen und genutzt für neue Veranstaltungsangebote und die Vor-
bereitung für die Herbstsaison und schon 2023. Deine Berichte und Fotos sind wieder sehr eindrucksvoll und lassen
mich träumen einige Zeit dort in der Bretagne zu verbringen. Ich wünsche euch weiterhin guten Wind und allzeit gute Fahrt. Liebe Grüße Gerd
Lieber Gerd,
Schön, dass du deinen Urlaub so vielfältig genießen konntest. Basel war für dich sicherlich eine besondere Perle. Ja, die Bretagne ist auch wunderschön und sehr zu empfehlen. Wir liegen nun seit gestern Nachmittag in einer Ankerbucht vor einer der Naturschutzinseln de las Cies im spanischen Galizien. Wir waren schon ausgiebig auf Inselerkundung und Baden im glasklaren Atlantikgewässer. Das Wetter ist endlich wieder richtig schön. Ab morgen geht es Richtung Portugal weiter. Ganz liebe Grüße und weiterhin schöne Resturlaubstage! Anja und Jochen