Täglich – wohl im Verlauf der Zeit sogar stündlich – studieren wir die Wetterprognosen für unsere Weiterreise nach Kuba. Die Cayman Islands bieten sich als Zwischenstopp an, denn sie liegen genau auf dem Weg. So richtig rosig sieht alles nicht aus, aber der Mittwoch verspricht ganz gute Bedingungen. So ganz spontan lässt sich von der Insel nicht aufbrechen – unser Agent benötigt einen Tag Vorlauf, um die Ausreisepapiere erstellen zu lassen und unsere Pässe mit den entsprechenden Stempeln zu versehen.
Der Mittwoch naht, leider entwickelt sich die Prognose nicht zum besseren aber auch nicht zum Unmöglichen. Morgens um 08:00 Uhr lichten wir den Anker, alles ist vorbereitet, Anja hatte zuvor noch einiges vorgekocht. Aber die Reise währt nicht lange: Bei 25 kn Wind von vorn sind wir und das Boot überfordert. Ziemlich frustriert treten wir nach einer halben Stunde den Rückweg an und werfen den Anker an seinem alten Platz.
Das Problem: Die Wetteraussichten sind nicht besser, genau genommen werden sie für die nächsten 10 Tage immer ungünstiger. Aber uns kommt eine Idee: Erst mal nach Jamaika und von dort nach Kuba. Zwar nicht der direkteste Weg, aber der muss ja bekanntermaßen nicht immer der kürzeste sein. Mit dem Ziel Jamaika können wir einen angesagten Winddreher, der Kuba zum unerreichtbaren Ziel werden lässt, zu unsrem Vorteil nutzen. Zwar etwas gewagt, denn diese Windrichtungsänderung brauchen wir auch. Aber andererseits wird er von allen Modellen schon seit Tagen prognostiziert.
Zwei Tage sind wir noch auf Warteposition an unserem Ankerplatz. Großartige Unternehmungen wagen wir nicht – schließlich haben wir bereits ausklariert und müssen das Land eigentlich innerhalb von 24 h verlassen haben.
Immerhin erleben wir die Tage sehr entspannt. Anja nutzt die Zeit, um unser Boot von Spak und Rost zu befreien, das sich seit San Blas über uns hergemacht hat. Und ich übertrage die Positionen der Ankerbuchten Kubas aus unserem guten, aber etwas unübersichtlichen Cruising Guides in die elektrische Seekarte.
Am Morgen ist es wie es beim Segeln so ist: Aus dem zuviel Wind ist tendenziell zu wenig geworden. Aber die See ist dafür ruhig und richtig angenehm. Nach dem Aufstehen machen wir uns zügig fertig, setzen Segel und frühstücken – am ausgeklappten Cockpittisch fast wie am Ankerplatz.
Den gesamten Tag können wir segeln. Nur zweimal bleiben wir in einem Flaitenloch stecken, motoren etwa 20 Minuten, um unter der nächsten Wolke wieder Wind zu finden.
Aber gegen Abend erwischt uns dann doch die Flaute. Zunächst können wir es noch abwenden: Jedesmal, wenn wir beschließen, den Motor anzuschalten, reagiert das Boot und beschleunigt wieder auf 4-5 kn. Aber irgendwann hilft auch das nicht mehr.
Auf dem Weg gibt es noch ein weiteres Hindernis: Die Küste vor Nicaragua und Honduras. Hier hat es in der Vergangenheit wiederholt Übergriffe auf hoher See gegeben, bis zu 120 sm vor der Küste. Deshalb halten wir noch weiter Abstand, auch wenn dies seglerisch nicht den günstigsten Weg darstellt. Außerdem fahren wir in Tarn-Modus: keine Navigationslichter, kein Licht im Cockpit, kein aktives AIS.
Etwas ungewohnt, unsichtbar durch die Nacht zu reisen. So ganz dunkel ist es zum Glück nicht. Mit Sonnenuntergang erleuchtet eine schmale Mondsichel das Meer. Und nachdem diese gegen 20 Uhr untergeht, sind es die Sterne, die für eine Grundhelligkeit sorgen.
Fischerboote, von denen die Gefahr der Piraterie ausgeht, begegnen uns nicht. Lediglich einige Frachter, gut auszumachen im AIS. Einer der Tanker befindet sich auf Kollisionskurs, dem einen weichen wir frühzeitig aus.
Fast pünktlich mit Sonnenaufgang können wir wieder segeln. Ab und zu geht nichts mehr, dann motoren wir wieder eine Weile. Und am Nachmittag kommt wieder der Superschmetterling zum Einsatz, meine Lieblings-Segelset mit drei gesetzen Segeln. Eigentlich gar nicht schlecht, wenn wir doch nur ein klitzekleines bisschen mehr Wind hätten. So nervt das Schlagen der Segel. Und dass die Geschwindigkeit nicht ausreicht, um bis zum angesagten Winddreher auf Höhe von Jamaika zu sein.
Abends sichten wir das erste Fischerboot – wegen der Gefahr der Piraterie sind wir gar nicht entzückt. Auch hatten wir, inzwischen 170 sm von der Küste entfernt, so weit draußen mit keinem Fischer mehr gerechnet. Wir setzten die Fahrt zügig unter Motor fort und beobachten die Bewegung des Fischers im Radar. Erst scheint es, dass er sich auf einem Parallelkurs auf uns zubewegt. Nach einiger Zeit wird aber klar, dass er, wie für Fischer üblich, an einer Stelle auf und abfährt. Trotzdem: Diese Sichtung musste nicht sein.
Kurz darauf begegnen wir noch einen weiteren Fischerboot. Wir sind nun schon etwas abgeklärter und es wird schnell deutlich, dass das Boot keine Verfolgungsabsichten hat.
Aber nun sind wir auch endgültig draußen aus der offensichtlich fischreichen Zone vor Nicaragua und Honduras mit ihren vielen Flachs. Von nun an wird die Wassertiefe auf dem Weg nach Jamaika kontinuierlich von 500 auf 4000 m zunehmen.
Wie zur Belohnung kommt guter Wind auf – alle Plagen des Motorens sind vergessen. Bis wir um 23 Uhr aufgrund von Windmangel wieder den Schlüssel umdrehen. Ich habe bis dahin wunderbar geschlafen, nun ist Anja dran, die sich nach vorn verzieht, wo die Motorengeräusche am leisesten sind.
Der nächste Tag bringt Wind – nicht viel, aber gerade so genug zum Segeln, und das wieder im Superschmetterling. Und am Nachmittag sogar richtig viel. Dies kündigt sich schon vorher anhand eines mächtigen Regenwolken-Bandes an. Wir reffen schon frühzeitig das Großsegel, dann auch die Genua. Was kommt, ist zwar kein Sturm, aber durchaus Starkwind. Mit Durchzug der Regenwolke kommt das Typische: Flaute. Und das in Kombination mit einer aufgewühlten See, wodurch nicht einmal der Komfort Trost spendet, dass sich der Cockpittisch decken lässt.
Aber gegen Abend kommt doch noch mal Wind auf. Wir setzten Segel, aber wieder naht das nächste Band an Regenwolken. Genauer gesagt sind wir regelrecht eingekreist davon. Wir nehmen das Vorsegel weg und dann geht er runter, der Sturzbach-artige Regen, wie wir ihn so manches Mal am Ankerplatz erlebt haben. Der Wind ist merkwürdigerweise verstummt und wir starten wieder den Motor.
Die Nacht, die hereinbricht, ist gespenstisch. Anja versucht zu schlafen, ich sitze unter der Sprayhood im Niedergang, während sich das Boot durch die Nacht arbeitet. Zwar mache ich immer wieder einen Rndumblick in die trübe Suppe, werde aber das Gefühl nicht los, dort könnte ein Schiff sein, das wir sehenden Auges rammen.
Um 0930 löst Anja mich ab und ich falle schnell in den Schlaf – mit einer Unterbrechung bis um 0100.
inzwischen sind die Lichter Jamaikas klar erkennbar. Anja kriecht noch einmal in die Koje und wir motoren parallel zur Küste – deutlich angenehmer, als noch einige Stunden zuvor ins Nichts zu fahren. Gegen 04:30 merreichen wir unser Ziel: die Montego Bay von Jamaika. Was sich so romantisch anhört, ist in Wirklichkeit eine geschäftige Bucht mit Fracht- und Kreuzfahrtterminal. Dies hat aber immerhin einen Vorteil: Die Bucht ist gut betonnt und die Einfahrt auch nachts gut möglich. Am Ende der Bucht befindet sich eine kleinen Marina, vor der wir ankern und am nächsten Tag einklarieren können.
Mit dem Werfen des Ankers kommt wieder diese etwas widersprüchliche Kombination einer Ankunft auf: einerseits hundemüde, auf der anderen Seite angeregt und aufgekratzt, dass wir nun tatsächlich wieder quasi festen Boden unter den Füßen haben. Zum Glück überwiegt ersteres und wir schlafen rasch ein.
Liebe Anja, lieber Jochen,
seid ihr auf eurer Abenteuerreise mittlerweile in Cuba gelandet? War ja mal wieder alles mit dabei von Stress bis Dolce Vita. Ich brüte bei mir zuhause noch den Rest der Erkältung aus und sitze bei Nieselregen im warmen Zimmer. Ich wünsche euch schon mal ein schönes Neues Jahr – wo ihr dieses auch immer verbringt?
Liebe Anja, meine Handynr. hast du erhalten, ist immer noch die gleiche. Schick mir doch mal ne Nachricht auf WhatsApp.
Ich freue mich von dir/euch was zu hören und wünsche ein erfolgreiches und erlebnisreiches 2024. LG Gerd
Lieber Jochen, Liebe Anja,
da wurde es aber nochmals interessant auf dem Meer. Ich hätte mir nicht gedacht, daß auch in der Karibik das Thema Piraterie noch relevant ist.
eine sichere Weitereise wünschen,
Hans u. Bettina