Nun ist endlich der Tag gekommen: Ganz früh wollen wir los. Zum einen, um einer Schwachwindzone zu entgehen, die sich im Verlaufe des Tages vor Panamas Küste ausbreiten soll. Zum anderen, um am nächsten Tag möglichst noch vor Sonnenuntergang in San Andres vor Anker gehen zu können.
Ich bin recht aufgeregt, welche Seegangs-, Wind- und Strömungsverhältnisse wir antreffen werden. Zwar ist alles ausgiebig studiert, aber oftmals kommt es doch anders.
In unserer Ankerbucht herrscht fast Totenflaute, aber das ist vielleicht nur der Windschutz des Felsens, hinter dem wir liegen, also Anker auf. Beim anschließenden Setzen des Großsegels vertüdelt sich erst einmal das Segel hinter den Lasybag-Leinen. Also Segel noch mal runter und noch mal das ganze von vorn. Das fängt ja gut an.
Dann aber beschert uns eine schöne Briese bestes Segelwetter. Vor allem die Windrichtung stimmt. Die Befürchtung, dass wir einen unkomfortablen Am-Wind-Kurs einschlagen müssen, bewahrheitet sich nicht. Wir könnten sogar mühelos härter an den Wind und statt San Andres die weiter östlich liegende Insel Probidencia anlaufen. Zwar ist San Andres ein (steuerfreies) Einkaufsparadies, wo wir eigentlich unsere Vorräte nochmals aufstocken wollten, bevor es in Kuba diesbezüglich mager, auf den Bahamas teuer und auf Bermuda richtig teuer wird. Auf der anderen Seite ist Providencia die naturbelassenere Insel mit weniger Trubel. Das ist uns wichtiger und beschließen ziemlich spontan eine kleine Kursänderung zu nehmen.
Wie es häufig so ist – aus dem Sonntagssegeln entwickelt sich bald mit zunehmender Wellenhöhe ein anstrengendes Vorankommen. Anja und ich sind uns meist uneins, wie hoch die Wellen nun sein mögen, meistens schätzt Anja sie auf das doppelte von meinem Maß. Aber am zweiten Tag bescheinige auch ich den Dingern mehr als 2 Meter. Sie haben durchaus eindrucksvolle Ausmaße, aber ohne aggressiv zu sein. Nichtsdestotrotz wird die typische Akrobatik auf einem segelnden Segelboot notwendig: Sich bloß nicht freihändig bewegen, stattdessen entlanghangeln wie ein Affe.
Dann kommt nach langer Zeit die erste Nacht auf See. Wir entscheiden uns gegen einen festen Wachrythmus. Stattdessen soll in die Koje kriechen, bei dem das Gefühl aufkommt: „Ich könnte jetzt schlafen“. Der erste bin ich und schlafe wider Erwarten sogar für etwa eine Stunde. Über die Nacht verteilt gelingen mir etwa vier dieser „Power-Naps”. Anja bleibt leider die gesamte Nacht wach. Nicht so ungewöhnlich – die erste Nacht ist immer die schwierigste. Leider wird aber unsere Seereise nach dieser ersten Nacht zu Ende sein. Denn bereits am Nachmittag kommt Providencia als mächtiger Fels in Sicht. So deutlich hatten wir es gar nicht erwartet bei einer Insel, die gerade einmal 4 sm lang ist und die man auf der Karte schon suchen muss. Aber dafür hat sie mit 360 m eine stattliche Höhe.
Den gesamten Tag bin ich schon am Schauen, ob wir noch bei Helligkeit unseren Anker werfen können. Und den ganzen Tag sieht es mal gut aus, mal nicht – bis zum Schluss. Am Ende schaffen wir es – beinahe: Die Anfahrt erfolgt noch bei Tageslicht, wir sehen sogar die Yacht unserer Segelfreunde Katja und Klaus vor Anker liegen, erst direkt in der Ankerbucht wird es schlagartig dunkel. Aber mithilfe unseres Radars, das Tonnen und andere Boote zuverlässig darstellt, machen wir die Nacht ein Stückweit zu Tag und können recht entspannt unsren Anker fallen lassen.
Das erste Teilstück nach Kuba ist geschafft. Zwar windig, aber vor Wellen gut geschützt können wir den Abend ausklingen lassen.
Lieber Jochen, liebe Anja,
solche Reiseabschnitte zählen wahrscheinlich auch zu einem Segleralltag. Trotz aller sorgfältigen Planung, will das Wetter unbedingt anders. Dann heisst es sich durchzuwursteln, oder?
Sehr schön für Euch finde ich, daß Ihr immer wieder auf Eure Seglerfreunde trefft und Euch austauschen könnt.
Viele Grüße,
Bettina u. Hans