Der Weg von Bogota an die Pazifikküste ist nicht gerade eine Direktverbindung. Denn die wenigsten Küstenorte sind über Straßen an den Rest der Welt angebunden, auch unser Zielort Nuqui nicht. So geht es erst per Flugzeug nach Cali, von dort mit dem Bus zur Küstenstadt Buenteventura von wo uns ein Schiff zum Ziel bringen soll.
Buenteventura ist neben ganz im Süden gelegenen Tumaco der einzige Orte der kolumbianischen Pazifikküste, der auf der Straße erreichbar ist. Für uns soll die Stadt eigentlich nur ein Zwischenstopp mit einer Übernachtung sein, um früh morgens von dort die Fähre zu nehmen. Zumal im Reiseführer Buenteventura nicht unbedingt als idyllisch beschrieben wird. Tatsächlich erweist sich die Stadt als sehr ärmlich und laut mit vielen baufälligen Häusern mit einem anrüchigen Ruf als größten Drogenumschlagplatz Kolumbiens. Es ist auch die verkehrsreichste und lauteste Stadt, die wir bisher kennengelernt haben. Dafür kostet unser Hotel auch nur sagenhafte 12 Euro einschließlich Frühstück, aber auch mit Lärm inklusive. Entschuldigend ist hinzuzufügen, dass gerade an unserem Wochenende ein Stadtfest tobt.
Auch das Klima ist nicht zum Wohlfühlen: feucht-warm, wie sonst nirgendwo auf unserer Reise. Als wir morgens aufstehen, ist der Boden wie frisch gefeudelt. Uns wird klar, weshalb man die Matratze in eine Kunststofffolie eingeschweißt hat. Aber es ist ja nur für eine Nacht – nun ja, wenn das Schiff wie im Führer beschrieben auch tatsächlich am Montag ablegen würde. Dies ist aber nicht der Fall, wir müssen noch einen weiteren Tag an diesem Traumort ausharren.
Aber wir haben Glück, indem wir beim Frühstück Kolumbianer kennenlernen, die uns einen guten Tipp für einen Ausflug nach San Cipriano geben – und der soll besonders werden.
Mit Sammelbussen, wie wir sie schon von Barbados kennen, geht es zunächst aus der Stadt raus nach Córdoba. Dort endet die Straße und es geht auf der Schiene weiter. Dies aber nicht per Bahn, sondern mit sogenannten Brujitas (deutsch: Hexe). Diese Transportmittel bestehen aus einer hölzernen Grundplatte mit vier Rollen, die auf der Schiene laufen. Weitere vier Rollen laufen auf der Innenseite der Schiene und sorgen dafür, dass das Gefährt (so Gott will) in der Spur bleibt. Als Antrieb dient ein Motorrad, das so auf der Plattform montiert ist, dass dessen Hinterrad auf der Schiene aufsitzt und so das Fahrzeug vorantreibt. Für die Fahrgäste gibt es eine Bank und gegen Sonne und Regen sogar ein Dach.
Dann heißt es einsteigen, festhalten und hoffen, dass alles gut geht. Wir sind zwar deutlich langsamer als ein ICE, aber die Fahrt fühlt sich deutlich schneller an. Den Gedanken, was passiert, wenn das Wägelchen entgleisen sollte, versuche ich auszublenden.
Ab und zu hält unser Zug an, um Fahrgäste, die auf der Strecke offensichtlich ihr Zuhause haben, aufzunehmen oder aussteigen zu lassen.
Nach unserer Ankunft wird uns wieder gewahr, dass wir Touristen sind und auch als solche mühelos erkannt werden: Ein Guide bietet uns seine Dienste an und obwohl dies nicht unsere Absicht war, können wir uns dem nicht entziehen. Aber immerhin werden wir so auf einem verschlungenen Pfad durch den Regenwald zu einem Wasserfall geführt, den wir sonst kaum gefunden hätten. Und noch eine weitere Attraktion bekommen wir geboren: Der letzte Part des Rückwegs erfolgt treibend den Fluss hinunter. Hierzu bekommen wir jeweils einen aufgepumpten LKW-Schlauch, in dessen Mitte wir Platz nehmen. Die Strömung des Flusses bringt uns ans Ziel.
Zu unserem Hotel geht es in schon gewohnter Weise, erst wieder mit der rasanten Brujita, dann mit einem der immer etwas chaotisch wirkenden, aber hervorragend funktionierenden Sammeltaxis. So ist aus unserem Zwangsaufenthalt doch noch ein erlebnisreicher Tag geworden.