Die Kanalinseln: very british

Gestern sind wir bei einem mäßigen achterlichen Wind von der kleinen Insel Sark nach Jersey, der größten der Kanalinseln, gesegelt. Vor deren Hauptstadt St. Helier haben wir zunächst den Anker geworfen und sind mit unserem Beiboot, an der beeindruckenden Elizabeth Burg entlang, in den Stadthafen motort. Hier galt es einen Sack Wäsche zu waschen und einen größeren Einkauf zu tätigen. Nun ergab sich das Problem, dass wir für die Waschmaschine im Hafen die staatseigene Währung, den Jersey Pound, als Münzgeld einwerfen sollten. Das hieß also erst einmal Geld abheben, wobei uns auffiel, dass die Stadt vor allem aus Banken besteht. Jersey ist als Steuer- und Finanzparadies bekannt und dies war auch deutlich spürbar. Nach den besonnenen Tagen auf der Naturinsel Sark fühlten wir uns von all dem Straßenverkehr, den vielen Geschäften und dem insgesamt bunten Treiben auf den Straßen richtig gehend überfordert und waren deshalb froh als wir uns nach Erledigung der Einkäufe (in einem Biomarkt haben wir kiloweise Volkornmehl eingekauft, damit wir zukünftig mit der gerade erworbenen Brotbackmaschine endlich wieder zu genießbarem Brot kommen – bis dahin halten wir uns mit dem Brot aus Dosen von unseren lieben Freunden über Wasser) und dem erfolgreichen Waschgang zurück in unser Dingi zur Aluna22 schwingen durften. Die Segel wurden darauf erneut gesetzt und weiter ging es (mit einem nachmittäglichen Abstecher in die Portelet Bay) in die wunderschöne Beauport Bay, wie der Name es schon sagt.

Heute Morgen haben wir nach einem erfrischenden Bad im Meer (das Wasser ist hier tatsächlich ein paar Grad wärmer als auf den anderen Kanalinseln) vor malerischer Küste gefrühstückt und sind dann gestärkt zur ersten Wanderung aufgebrochen. Der Küstenpfad bot berauschende Ausblicke von felsiger Steilküste auf bizarre Felsformationen im Meer. Ziel war der 5 km entfernte Corbiere Leuchtturm von 1874, der über einen Damm mit der Insel verbunden, (jedoch nur bei Niedrigwasser passierbar ist), auf einem einsamen Felsen im Meer steht und damit einen imposanten Anblick bietet. Nach einem stetigen Auf und Ab und das bei heißen Temperaturen sind wir auf der Rücktour dann noch einmal ins türkisfarbene Nass gestiegen: ein Gefühl wie Urlaub auf Mallorca, nur ein bisschen erfrischender.

Insgesamt sind wir schwer begeistert von den Kanalinseln. Alle haben sie ihren ganz eigenen Charakter. Besonders angenehm ist, dass wir der Landessprache, Englisch, einigermaßen mächtig sind. Als geradezu kurios empfinden wir es, dass die Kanalinseln zwei eigene Staaten bilden (die Ballewik of Guernsey im Verbund mit Alderney, Herm und Sark sowie der Staat Jersey). Beide Staaten verfügen über ein eigenes Parlament, eigenes Rechtssystem und eine eigene Währung. Sie unterstehen nicht der britischen Regierung sondern direkt der britischen Krone, die ihnen aber eine weitgehende Unabhängigkeit gewährt.

Auffällig auch die vielen Wachtürme und Bunkeranlagen aus dem zweiten Weltkrieg, die auf allen Inseln präsent sind, besonders aber auf Alderney. Sie sollten einen Teil des von Hitler proklamierten atlantischen Schutzwalls bilden. 

Auf Alderney gab es schon seit der Römerzeit Burg-ähnliche Fourts, die dann von den Engländern im 18. Jhdt. als Schutz vor möglichen Angriffen von den Franzosen erweitert wurden und, wie bereits erwähnt, auch von den Nationalsozialisten für die eigene Zwecke umgebaut wurden. Insgesamt gibt es auf der kleinen Kanalinsel Alderney (etwa 10 km lang und 3 km breit) zehn solcher Bauwerke.

Auf Alderney hatten wir uns Fahrräder ausgeliehen und besuchten einige dieser Fourts. Überall konnten wir hineingehen, einige dienen heute als Art Museum, andere sind schon etwas verfallen und eins wurde gar zum Appartmenthotel umfunktioniert (die schicke Lage am Meer macht dies attraktiv). Auf Alderney haben wir auch ein sehr nettes englisches Ehepaar kennengelernt, welches sechs Jahre lang auf Weltumsegelung war und uns einige Tipps mit auf den Weg geben konnte, wie die Anschaffung einer Brotbackmaschine.

Sark hat uns von den Kanalinseln bisher am besten gefallen. Die Ankerbucht allein war schon atemberaubend schön. Interessant sind hier auch die vielen Höhlen in den Felsen, die je nach Tide vom Strand aus begehbar oder von Wasser umspült sind. Die Gezeiten prägten auch unseren Rhytmus: Die Landgänge mithilfe unseres Dingis/Beibootes waren zeitlich  begrenzt, da hier ein Tidenhub von 6 m herrscht und wir entsprechend rechtzeitig von unseren Spaziergängen durch den hübschen Ort oder entlang der Küste zurück sein mussten.

Sark besitzt einen Dorfkern mit wunderhübschen Häusern aus Felssteinen im normannischen Baustil. Überall in den Gärten und an den Häuserwänden blüht es prächtig sommerlich. Zudem herrscht kein Autoverkehr. Hin und wieder knatttern Traktoren (das einzig zugelassene Verkehrsmittel – selbst der Dorfarzt fährt mit dem Traktor zu seinen Patienten) oder rattern Pferdekutschen mit  einigen Touristen an Bord.

Guernsey hat uns auch sehr gut gefallen. Die Insel ist von seiner Vegetation her sehr üppig und der Hauptort Peter Port mit seiner Altstadt hübsch und lebendig. Leider waren wir während unseres Aufenthalts dort beide etwas krank, sodass wir die Insel nicht komplett in ihrer Komplexität erfassen konnten. (Zur Tide: In einer kleinen Bucht von Guernsey mussten wir, nach einer Küstenwanderung, noch einmal drei Stunden warten bis wir wieder in  unser Dingi einsteigen konnten). 

Wir bleiben jetzt erst einmal noch zwei Tage auf Jersey und dann geht es wieder weiter die französische Küste hinauf in Richtung Brest.

8 Kommentare

  1. Wahnsinn die Bilder, da möchte man sofort zu euch kommen. Der Tidenunterschied ist ja beeindruckend. Anja deine Schilderung und Beschreibung der Inseln ist besser als jeder Reiseführer. Mach weiter so, damit wir dabei sein können. LG😘Christine

  2. Hu hu es ist so schön euch zu verfolgen…ich bekomme Fernweh 😄 Anja du schreibst so schön 😘 Herzlichen Glückwunsch zur Brotbackmaschin🍞

  3. Bettina u. Hans

    Liebe Anja, lieber Jochen,
    wir können uns nur den vorgegangen Kommentaren anschließen.
    Da kommt uns gleich die Idee auch einmal die Kanalinseln zu besuchen. Sicherlich gibt es einen Fährverkehr zwischen den Inseln, so daß man, ohne eigenes Boot, von Insel zu Insel gelangen kann.
    Liebe Grüße,
    Bettina u. Hans

    • Lieber Hans,
      Ja, das ist sicher möglich und ist interessant, da alle Inseln ja sehr verschieden sind. Liebe Grüße auch an Bettina und euch noch ein schönes Wochenende! Anja und Jochen

  4. Gerhard Hoelzner

    Liebe Anja, lieber Jochen, sehr beeindruckende Fotos und sehr lebendige Reisebeschreibung. Ich kann mich nur den anderen anschließen. Es ist so schön zu sehen, dass es euch gut geht! Wie ich euch per WhatsApp schrieb, habe ich meine Reisepläne etwas geändert und fahre nun im August nach Basel – auch schön! Ich wünsche euch weiterhin so viel tolle Erlebnisse und Eindrücke.
    Liebe Grüße
    Gerd

    • Lieber Gerd,
      Vielen Dank für deinen lieben Kommentar. Wir wünschen dir nun ebenfalls eine ganz schöne Reise in die Schweiz nach Basel mit spannenden Entdeckungen von Land, Leute und Kultur. Liebe Grüße Anja und Jochen

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