Ankunft nach der Überfahrt auf Saint Agnes
Nach neun Tagen auf See mit zum Teil stürmischen Winden und haushohen Wellen mutete uns die stille Ankerbucht von Saint Agnes geradezu unwirklich an. Ich freute mich schon sehr auf das erste Baden in der englischen See, nachdem ich mich während der Überfahrt – bedingt durch den starken Wellengang – nur sporadisch mit ein wenig Wasser benetzt hatte. So war meine persönliche erste Tat das Herablassen der Badeleiter und das Hinabgleiten ins kühle Nass. Kühl ist jedoch ein wenig untertrieben. Die Temperaturen glichen eher den arktischen Gefilden, sodass ich mich schon bald wieder im Boot wiederfand.
Erster Landgang
Wir alle platzten geradezu vor Neugierde auf unsere erste Scilly Insel. Darum hieß es jetzt, das Dingi klarzumachen und zu Wasser zu lassen. Und wir wurden nicht enttäuscht: All das üppige Grün, gesprenkelt mit einer unerwarteten Vielfalt an Blütenpracht, welche dem felsigen Untergrund entsprangen, war einfach nur wunderschön. Auch all die altehrwürdigen Cottages und Mauern aus den Felssteinen der Insel erbaut, erfreuten unser Auge. Nach dem kleinen Inselrundgang ließen wir uns in dem einzigen Dorf-Pub nieder und genossen das erste Bier nach den vielen Tagen der Abstinenz auf See.
Abschiednehmen von Christoph und Niklas
Das Ankunftsbier sollte zugleich das Abschiedsbier bedeuten, denn schon am folgenden Tag wollten Christoph und Niklaas die Fähre zum englischen Festland besteigen. Hierfür segelten wir am Morgen nach unserer Ankunft in Saint Agnes zu der Nachbarinsel St. Mary. Sie ist die größte der Scilly Islands und St. Mary, das namensgleiche Städtchen, fungiert zugleich als Hauptstadt der Scillys.
Nach einer so intensiven Zeit, in der wir alle Hochs und Tiefs unserer abenteuerlichen Segeltour von den Azoren bis nach England gemeinsam gemeistert haben, fiel der Abschied sichtlich schwer. Lange winkten wir noch der Fähre mit unseren beiden treuen Mitseglern hinterher.
Inselerkundung von Saint Mary
Um nicht weiter unnötige Gebühren für die Mooringtonne bezahlen zu müssen, verlegten wir unsere Aluna 22 nun auf die gegenüberliegende Seite der Insel und damit auch in eine gut geschützte Ankerbucht. Immerhin hatten wir als Trostpflaster für den Abschied von Christoph und Niklaas noch viel zu entdecken auf dieser für uns noch unbekannten Insel. Und so machten wir uns auf zu einer ersten Erkundungstour von Saint Mary.
Indem wir uns zunächst einen Weg durch die engen Gassen des Städtchen mit seinen historischen Felssteinhäuser bahnten, immer ein wenig aufwärts, unterwegs durch ein eindrucksvolles steinernes Tor, gelangten wir fast unbemerkt zum höchsten Punkt der Insel. Dieser wurde gekrönt von einer teilweise wieder aufgebauten kleinen Burganlage. Ein Teil davon dient heute als Museum, ein anderer wird als stilvolles Hotel genutzt. Von hier aus bot sich uns ein weiter Blick hinunter zum Hafen und zu einer benachbarten kleineren Inselgruppe. Indem wir unsere Wanderung fortsetzten und dabei dem Befestigungswall folgten, wurde uns bewusst, dass St. Mary einst eine wichtige militärische Bedeutung innehatte, von der die riesige Wallanlage, die die Westseite der Insel vollständig umringt, noch heute zeugt.
Wanderung auf der Osthälfte von St. Mary
St. Mary lässt sich gut in einen Ost- und einen Westteil gliedern, deren beide Hälften durch einen breiten Damm miteinander verbunden sind. Auf den beiden Seiten dieses Damms befinden sich die beiden gut geschützten Ankerbuchten (der Schutz ist natürlich auch hier abhängig von der jeweiligen Windrichtung).
Während Jochen sich am nächsten Tag mal wieder den notwendigen Reparaturen zuwandte, unternahm ich eine weitere Wanderung auf der Insel und erwanderte dieses Mal dem Ostteil der Insel. Immer einen kleinen Pfad entlang der wilden Küste folgend, entdeckte ich dabei geradezu mystisch anmutende Felsformationen. In ihnen meinte ich Gesichter von Riesen und anderen Kreaturen zu erkennen.
Die Insel Tresco: Old Grimbsby Bay
Nach drei erlebnisreichen Tagen auf Saint Mary hissten wir wieder die Segel und machten uns auf in Richtung englisches Festland. Auf dem Weg dorthin passierten wir die Insel Tresco. Beeindruckt von ihrer dramatisch anmutenden Felsenkulisse beschlossen wir in der geschützten Bucht namens Grimsby Harbour nordöstlich von Tresco den Anker doch noch einmal fallen zu lassen. Umrahmt von hunderten kleineren und größeren aus dem Wasser ragenden Felsen mussten wir zudem auf den Wasserstand achten. Der Tidenhub ist hier beträchtlich und wenn auch am Anfang vom Hochwasser die Tiefe ausreichend schien, so kam der Kiel bei Niedrigwasser dem Meeresboden doch gefährlich nahe. Wir beobachteten auch, dass zwei Jachten hinter uns merklich Probleme mit dem Wasserstand bekamen und ihren Ankerplatz verlegen mussten.
Mit unserem Besuch der Insel entdeckten wir, wie facettenreich sich die Natur hier präsentiert: saftige Wiesen voll von Hasen und herumstolzierenden Fasanen, dichtes Buschwerk, hohe, vom Wind zerzauste Bäume und als besonderes Highlight ein riesiges Farnenmeer. Ein von dichten Farnen umsäumter Weg führte uns schließlich hinauf zu einer Burgruine. Von hier bot sich uns ein wunderschöner Blick auf unsere Ankerbucht, die nun im Licht der untergehenden Sonne und mit abnehmenden Tidenhub ihre Erscheinung ständig verwandelte. Wie waren ganz und gar eingenommen vom Anblick dieser spektakulären Landschaft.
Am nächsten Morgen, bevor wir nun endgültig von den Scilly Islands Abschied nehmen wollten, besuchte ich noch einmal das Dorf. Auch hier fand ich eine von Menschenhand liebevoll selbst geschaffene romantische Idylle vor, die insbesondere von den alten Steinhäusern und den naturnah angelegten Gärten ausgeht.
Der Besuch der wunderschönen Scilly Islands waren die lange Überfahrt auf jeden Fall wert.