Auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln

Cascais bei Lissabon, 08. September:

Christoph kam nach einer langen Anfahrt mit Zug und Flugzeug am Abend zu uns an Bord. Bei Risotto und einem Schlückchen Portwein (der Besuch der Stadt Porto hat uns dazu inspiriert) wurden zunächst unsere verschiedenen Erlebnisse munter miteinander ausgetauscht und die Grobplanung für unsere gemeinsame Reise zu den Kanaren vorgenommen. Die Winde waren die Tage ungewöhnlich für dieses Gebiet und wollten weder Richtung Madeira noch zu den Kanaren wehen. So entschlossen wir uns, zunächst die portugiesische Küste weiter in Richtung Süden zu segeln.

Am nächsten Morgen gingen wir es gemütlich an, da so gar kein Wind wehte. So nutzten wir die Zeit, um unsere Diesel- und Wasservorräte an der nächsten Hafentankstelle aufzufüllen.

Nach getaner Arbeit wehte dann schon ein gutes Lüftchen und es sollte sogleich mit einem rasanten Schmetterlingskurs prima vorangehen. Am Abend schwächte der Wind aber soweit ab, dass wir am Ende sogar den Motor starten mussten. Um 3:30 Uhr in der Frühe entschlossen wir, den Anker in der Bucht von Arifana fallen zu lassen. Umgeben von der Dunkelheit und in einem unbekannten Segelrevier keine leichte Entscheidung, zumal die Dünung sich hier recht schwungvoll präsentierte. Am nächsten Morgen entpuppte sich unser Ankerplatz als Surferrevier fürs Wellenreiten, was die starke Dünung erklären konnte. Unser Ausblick auf die hohe Steilküste mit bizarren Felsformationen davor war beeindruckend und wechselte geradezu minütlich sein wetterbedingtes Gewand, was vor allem von Christoph eifrig fotografisch festgehalten wurde. Und auch die Surfer beim Wellenreiten wurden von ihm mit seinem Teleobjektiv dokumentiert. Da der Wind für diesen Tag erst für den Nachmittag angekündigt war, nutzten wir die Zeit für ein Videocall mit Karin und Manfred (die Eltern von Christoph und Onkel und Tante von Jochen). Diese waren ganz gespannt darauf, Näheres von unserem ersten gemeinsamen Segeltag zu erfahren und sind zudem eifrige Follower unserer Website.

Am Nachmittag setzten wir dann wieder die Segel, entschlossen uns jedoch aufgrund des mäßig wehenden Windes (wir mussten sogar zwischendurch motoren) vor dem Wind zu kreuzen. Mit Aufwachen des Windes bekamen wir so richtig Fahrt ins Boot, sodass wir vor Freude laut juchzen mussten. Mit einsetzender Dunkelheit ließen wir unseren Anker dieses Mal etwa 20 Meilen vor Lagos – vor der Bucht Ponta da Calheta – fallen. Auch diese Bucht erwies sich am nächsten Morgen als Glückstreffer. Mit dem Dingi paddelten wir zum schönen Sandstrand vor malerischer Felsenküste, badeten und, in der Sonne liegend, genossen wir den umgekehrten Blick vom Strand auf unser Segelboot im blauen Meer. Am Nachmittag machten wir uns dann wieder auf in Richtung Lagos. Da uns am Abend vorher ein Unglück mit dem Spielbaum passiert war, wollten wir dort nach Möglichkeiten einer Reperatur oder auch nach einem Neuerwerb schauen. Die malerische Ankerbucht vor Lagos mit seinen roten Kreidefelsen wies jedoch einen ungünstigen Ankerboden mit Felsgrund und vielen Algen auf. Auch beim zweiten Versuch wollte der Anker nicht halten. So entschieden wir uns in die von Navily empfohlene Ankerbucht von Portimao zu fahren, da der Ort mit einer Metro nach Lagos verbunden ist und zugleich selbst über eine Werft und Läden mit Yachtzubehör verfügt.

Auch hier war das Ankern kein Leichtes, da der Fluss von starken Strömungen geprägt ist und sämtliche vor Anker liegende Yachten ständig auf Wanderschaft waren und in alle möglichen Richtungen zeigten. Beim dritten Versuch sollte es uns dann gelingen: Der Ankergrund hielt gut und die Abstände zu den anderen Yachten waren optimal austariert. Eine etwas entfernt von uns vor Anker liegende Yacht hatte es in der Nacht jedoch erwischt und lag am Morgen mit dem Rumpf quer zum Strand…

Zeitgleich mit unserer Ankunft in Portimao empfingen wir die Nachricht, dass unsere Bekannten aus Mannheim (jetzt Kassel) sich nun glücklich über einen Stellplatz für ihre Yacht auf dem gegenüberliegenden Werftgelände schätzen konnten. Da sie schon einige Tage vor uns in Portimao eingetroffen waren, kannten sie sich schon mit dem Werftgelände, seinen Läden für Yachtzubehör und Werkstätten für Reparaturbedürftige aus. So konnten sie uns mit guten Tipps versorgen. Und schon bald hatte Jochen ein Geschäft aufgetan, dass uns einen geeigneten gebrauchten Spielbaum verkaufen könnte. Einige kleine Anpassungen wurden dann noch von einem verständigen Schlosser nebenan auf dem Werfgelände vorgenommen. Zudem konnte Jochen mit der Hilfe von Christoph auch selbst noch einige Modifikationen dort vornehmen  Der ganze Prozess wurde sorgfältig von Christoph dokumentiert. Das Werfgelände erwies sich als wahrer Glücksfall. Zudem war es schön, dass wir dort draußen in einem Werftarbeiter-Imbiss noch einmal unsere beiden Mannheimer treffen und einen geselligen Abend miteinander verbringen konnten. Während der beiden Tage, die wir für das Spielbaumprojekt aufbringen mussten, hatte ich noch die Gelegenheit, die nähere Umgebung mit seinen sympathischen Örtchen Ferragudo, deren Burg und den malerischen Strand vor roter Felsenküste zu besuchen (inklusive Schwimmeinlage).

Gegen Mittwochmittag war alles fertig gerichtet und der neue Spielbaum per Dingi an Board geschafft. Nach eingehender Studie der zu erwartenden Winde für den Zeitraum der kommenden 5 Tage entschlossen wir uns noch am Abend, für die Überfahrt zu den Kanaren aufzubrechen.

Die angesetzten fünf Tage verjüngten sich auf vier Nächte und dreieinhalb Tage, da wir bei durchschnittlich 15 Knoten wahren Wind und per Super-Schmetterling (d.h. mit zusätzlicher Fock) prima vorankamen. Anfänglich, bis auf Höhe von Gibraltar, kamen uns noch sehr viele Frachter und Fischerboote entgegen, und das vor allem nachts. Hier hieß es äußerst wachsam sein und neben dem Beobachten des Plotters auch Ausschau nach Lichtern in der Ferne halten. Entlang der marrokanischen Küste bis zu unserem ersten Ziel, der Insel Graciosa vor Lanzerote, begegneten uns dann kaum noch Schiffe. Wir erfreuten uns umso mehr an dem abwechselnden Licht- und Farbenspiel der Sonnauf- und -untergänge sowie der Sterne und des Mondes. Auch waren wir ganz fasziniert vom kraftvollen Rauschen der Wellen und dem tiefen Blau des Meeres (der Begriff Blauwassersegeln erklärte sich uns damit).

Tagsüber saßen wir eng zusammen, lasen, unterhielten uns und nahmen unsere verschiedenen Mahlzeiten ein (das Zubereiten und Einnehmen des aufwendiger zubereiteten Abendessens kam durch das kräftige Geschaukel bereits einer Akrobatikübung gleich). Die Nächte mit ihren Wachwechsel im angedachten Drei-Stunden-Takt (letztlich variierten die Stunden je nach Kondition und Müdigkeit) fühlten sich abenteuerlich an, da man nun in der Dunkelheit den Elementen so ganz allein ausgesetzt war und die Verantwortung für ein sicheres Segeln und damit für die Crew übernahm. Nach vier Nächten mit nur wenig Schlaf fühlten wir uns allesamt übermüdet und waren sehr froh und stolz, als endlich am Morgen des vierten Tages Land am Horizont auftauchte. 

Die kleine, nördlich von Lanzarote gelegene Vulkaninsel Graciosa mit ihrem türkisblauen Wasser und beigefarbenen Sandstränden war genau der richtige Ort zur Erholung. Zwei ganze Tage genossen wir das Schwimmen und Schnorcheln im glasklaren Wasser mit seinen bunten Meeresbewohnern. Während sich Christoph der Bearbeitung seiner vielen Fotos widmete, erklommen Jochen und ich derweil den kleinen erkalteten Vulkan der Insel und wurden mit einem fantastischen Ausblick auf unsere Ankerbucht sowie auf die andere Seite der Insel belohnt. Schon bald hieß es jedoch wieder Abschiednehmen von dieser Naturschönheit, da wir nun die Küste Lanzerotes weiter bis zu ihrer Hauptstadt Arrecife segeln wollten. Auf dem Weg dorthin begegneten wir riesige Delfinen (wir waren uns uneinig, ob Wale oder Delfine), die uns ein kleines Stück begleiteten. In Arrecife steuerten wir die Marina de Lanzerote an, da Christoph uns am nächsten Tag leider wieder verlassen musste. Den letzten gemeinsamen Abend verbrachten wir wunderschön in einem stilvollen Restaurant bei diversen Köstlichkeiten und malerischer Hafenkulisse. Es war ein gelungener Abschluss unserer gemeinsamen Zeit mit Christoph, der uns so tatkräftig beim Segeln und Reperaturarbeiten unterstützt und mit seinem Humor zur guten Stimmung an Bord maßgeblich beigetragen hat.

Am Abreisetag von Christoph mieteten Jochen und ich uns ein Auto, u.a. um Lanzerote näher zu erkunden. Den Nachmittag verbrachten wir im faszinierenden  Künstlerhaus-Museum des Bildhauers César Manrique (Zeitgenosse von Miro, Tingerly, … ). Sein ehemaliges Wohnhaus mit seinen verschiedenen Ebenen, Durchgängen und höhlenartigen Räumen war auf kreativste Weise ganz aus Lavastein erbaut und damit ganz und gar in seine vulkanische Umgebung eingebunden. Auch die kleineren und größeren Gärten im und um das Haus herum waren mit ihren riesenhaften Kakteen und Wolfsmilchgewächsen exotisch und faszinierend anzusehen. Der Künstler selbst beeindruckte uns vor allem durch seine Strahlemann-Natur (zumindest den Video- und Fotomaterialien nach), für sein Engagement, eine ästhetische Architektur auf der Insel umzusetzen und für seine verspielte Bildhauerkunst, der man überall auf Lanzerote begegnet. Nach einem abendlichen Bad in der „blauen Lagune“ begaben wir uns dann ganz unromantisch noch zu einem Großeinkauf bei Ikea ( Kunststoffbehälter zum Schutz gegen Kakerlakken u.ä) und Lidl, wofür uns das Auto gute Dienste leistete. 

Vorgestern sind wir dann die Küste Lanzerotes bis zur Südspitze weiter heruntergesegelt und liegen seitdem in einer geschützten Bucht vor Anker. Auch hier ist das Wasser türkisfarben, angenehm warm und voller bunter Fische, die zum Schnorcheln einladen. Die karge Vulkanlandschaft mutet dabei geradezu surreal an. Das Wetter spielt jedoch nicht so gut mit: Es regnet und windet zur Zeit recht ordentlich. Auch haben wir vorgestern traurige Nachrichten aus Deutschland erhalten: Ein guter alter Freund und auch die Tochter meiner verstorbenen Freundin sind beide verstorben. Das stimmt uns gerade sehr traurig und nachdenklich.  Freud und Leid liegen somit im Moment sehr dicht beieinander.

7 Kommentare

  1. Wunderbar , ich verfolge eure Reise auch immer…😊

  2. Bettina u. Hans

    Liebe Anja, lieber Jochen,
    welch tolle Bilder – da werden wir fast neidisch auf Euch. Wir freuen uns auf jeden neuen Beitrag Eurer Reise und können so, virtuell, daran teilhaben.
    Vielen Dank an dieser Stelle dafür, daß Ihr euch die Zeit nehmt, das alles zu machen .
    Viele Grüße aus dem regnerischen Bayern,
    Bettina u. Hans

    • Liebe Bettina, lieber Hans!
      Das freut uns zu hören/ lesen. Es macht auch Spaß, die Beiträge zu gestalten. Vor allem, wenn wir dann so ein positives Feedback bekommen…Danke euch! Wir hatten auch zwei Tage Regen und viel Wind. Heute ist es aber wieder schön sonnig und warm. Liebe Grüße Anja und Jochen

    • Douglas Houghton

      Hello Jochen & Anja,
      We’re very good friends of Karen and Manfred Nick and thoroughly enjoy every photo and comment of your sailing. Thanks for sharing the times and be safe.

      Doug & Marianne Houghton
      USA

  3. Liebe Anja,
    wir wünschen dir zu deinem Geburtstag alles erdenklich Gute und vor allem viel Gesundheit! Ich hoffe, Friedrich und David sind gut angekommen und ihr habt einen ganz schönene Tag mit viel Freude und Spaß. Lass dich feiern und verwöhnen. Wir lesen sehr gerne deine wunderbaren Reiseberichte und schauen uns die schönen Bilder mit großem Interesse an. Liebe Grüße auch an Jochen von Karin und Manfred

  4. Liebe Karin, lieber Manfred¡!
    Vielen Dank für die Geburtstagsgrüße und lieben Wünschen. Wir sind gestern mit kräftigen Rückenwind von Cran Canaria nach Teneriffa gesegelt. Dort sind Friedrich mit David zu uns an Board gestiegen. Wir hatten heute einen herrlichen Tag mit viel Sonne, Schwimmen, leckeren Kuchen und schönem Segeln zur nächsten Ankerbucht. Liebe Grüße auch vom Rest der Crew! ❤️ Anja

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